Open-Source Verkehrszählung
Von November 2019 bis Juli 2021 habe ich den Verkehr in der Gnauthstraße in Gießen gemessen. Dazu habe ich einen Raspberry-Pi verwendet, der mit einem Kamera-Modul und der quelloffenen Software von Telraam den Verkehr zählt. Telraam bietet zusätzlich noch eine Plattform, welche die Auswertung der Verkehrsdaten übernimmt. Die dadurch gemessenen Daten sind öffentlich einsehbar. Hier ordne ich diese Daten zum einen im Kontext der Open-Source-Software zur Messung des Verkehrs ein und zum Anderen innerhalb der verkehrspolitischen Diskussion, um den in der Gnauthstraße geplanten Zebra-Streifen.
Telraam arbeitet auch direkt mit Vereinen und Institutionen zusammen, so zum Beispiel mit dem ADFC Berlin und dem DLR bzw. Treptow-Köpenick. Die Geräte wurden dort vor Ort zum Verleih angeboten. Beide verlinkten Artikel enthalten auch nochmal die relevanten Datenschutzaspekte im Detail, sowie die unterschiedlichen Möglichkeiten wie eine Zusammenarbeit mit der Telraam-Plattform aussehen kann. Die Live-Daten der einigen dutzend Mess-Stationen in Berlin sind auf der Karte zu sehen. Entgegen früherer Informationen können Mess-Stationen den Ort und den User wechseln, ansonsten wäre das Verleih-Modell gar nicht möglich.
Situation
Die Gnauthstraße verbindet die beiden Hauptverkehrs-Straßen Schiffenberger-Tal und Ludwigstraße, welche sich auf dem Weg zur Innenstadt und zum zentralen Berliner-Platz kreuzen. In folgendem Bild ist die Gnauthstraße orange hervorgehoben. Links und rechts wird sie von der Ludwigstraße und Bismarkstraße (die in den Schiffenberger Weg übergeht), jeweils in gelb, eingerahmt.
Der Zeitraum der Messung und deren Lage waren unter anderem interessant für die laufende öffentliche Diskussion, um den Zebra-Streifen auf der Gnauthstraße Ecke Stephanstraße. Siehe hierzu diese Artikel im August 2021 in der Gießener Allgemeinen und von Mittelhessen.de aus dem Juli 2021.
Rechtlich gesehen ist ab einer Frequenz von 200 Autodurchfahrten pro Stunde als Untergrenze ein Zebrastreien empfohlen. Laut Geh-Recht.de und Wikipedia ist das festgelegt im R-FGÜ: Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen - 2001 Die Stadt Gießen hat zum damaligen Zeitpunkt (2021) sogar eine Verkehrszählung durchgeführt, mit dem Ergebnis (12.02.2022), dass ein Zebrastreifen an dieser Stelle angebracht ist. Die Umsetzung ist für dieses Jahr geplant (24.02.2023).
Nachfolgend beschreibe ich meinen Versuch, mit den von mir erfassten Daten das Ergebnis der offiziellen Verkehrszählung nachzuvollziehen.
Methode
Die Erfassung der Daten geschieht mithilfe von der o.g. genannten Plattform Telraam. Dies ist zum Glück relativ datensparsam und kann im öffentlichen Quellcode nachvollzogen werden. Die Software verrauscht (blurred) die aufgenommen Bilder und berrechnet die Differenz zum täglich aufgenommenen Ausgang-Bild. Es werden dann nur die sich unterscheidenden Pixel übertragen und daraus dann auf den Telraam-Servern ermittelt, ob es sich um Fußgänger, Fahrräder, PKWs oder LKWs handelt und wie schnell diese sich bewegen. Da nur die verrauschten Pixel übertragen werden ist z.B. eine Gesichts- oder Nummerschilderkennung ausgeschlossen. Am Ende werden mit dieser Methode die Anzahl der unterschiedlichen Objekte zu den Stunden des Tages, die Fahrt und Fußweg-Richtung und eine Auswertung der Geschwindigkeiten auf der Webseite der Station dargestellt. Die Fahrt- bzw. Fußweg-Richtung im Fall der Gnauthstraße: Richtung Schiffenberger-Straße oder Richtung Ludwigstraße “Innenstadt”. Die Daten der mittlerweile stillgelegten Station können unter folgendem Link eingesehen werden.
Ergebnis
Von Juni bis Juli gab es in den Stunden tagsüber tatsächlich ein Verkehrsaufkommen oberhalb der Grenze von 200 Autos pro Stunde. Wenn nur die Werktage betrachtet werden steigt die Anzahl nochmal deutlich an. Siehe hierzu die folgende Abbildung. Die Auflösung ist leider etwas dürftig, daher einfach ran-zoomen. Wenn die Kategorie heavy vehicles, also LKW und Transporter mitgezählt werden, kommt man sogar für einen noch längeren Zeitraum des Tages über die Untergrenze von 200 Durchfahrten.
Folgender Link führt zu den Daten eingeschränkt nach Zeitraum.
Die von dem Raspberry-PI erfassten Daten zeigen, dass die relevante Anzahl an Autos in der Gnauthstraße auch schon vor September (dem Zeitpunkt der Verkehrszählung) vorgelegen hat.
Auch wenn in der Auswertung von Telraam und in der R-FGÜ Empfehlung die Frequenz von Fußgängern ebenfalls erwähnt wird, habe ich sie im Text oben außer Acht gelassen: Hauptsächlich, da die betreffende Kreuzung der Stephanstraße und Bruchstraße (übergehend in die Gnauthstraße) von mehreren Seiten durch Fußgänger gekreuzt werden, welche nicht durch das Gerät gemessen werden können. Gleichzeitig die Hauptverkehrsachse aber nach wie vor über die Bruch- bzw. Gnauthstraße durch motorisierten Verkehr entsteht. Die Zahl der die Gnauthstraße benutztenden Fußgänger, würde damit immer nur einen Teil der Menge darstellen und diese mit dem gezählten motorisierten Verkehr zu vergleichen wäre nicht angebracht.
Hardware
Es reicht etwas technisches Verständnis und die Einrichtung des Geräts geschieht recht schnell. Noch einfacher ist es durch die ausführliche Anleitung auf der Homepage. Das Telraam-Image muss zuerst auf den Raspberry-PI gespielt werden und nachdem sich die Software über das W-LAN eine Verbindung zum Internet aufgebaut hat, kann es ebenfalls über das Dashboard eingesehen und ggf. nach-konfiguriert werden. Die Datenauswertung kann live über einen öffentlichen Link (wie oben verwendet) geschehen. Gleichzeitig können über die Webseite noch zusätzliche Angaben zur Straße gemacht werden, z.B. Breite der Straße, empfundener Durchfahrtsverkehr, Sicherheit und Lebensqualität.
Fazit
Ich finde der Raspberry-PI-Telraam-Aufbau ist eine einfache sowie datensparsame Möglichkeit, die Durchgangszahlen meiner Straße als Laie zu erfassen. Gleichzeitig bekomme ich mit dem Dashboard einfache Werkzeuge an die Hand, die gemessten Daten zu verlgleichen und rudimentär auszuwerten.